"Nö, das mache ich nicht. Das kannst du selber machen." "Nein, ich habe da eine viel bessere Idee, wie wir das ganze umsetzen können." "Du hast mir doch gar nichts zu sagen!" - "Ich dir doch schon einmal gesagt, dass ich die Daten so nicht aufbereiten kann.!!!"
Wenn du Kinder hast, kennst du solche Sätze vermutlich. Ich habe solche Aussagen allerdings auch schon im Büro gehört. Ablehnung, Widerspruch - mach ich nicht. Und was machst du in einem solchen Fall?
Viele Menschen steigen in solchen Momenten aktiv in die Überzeugungsarbeit ein. Sie beginnen zu überzeugen, suchen nach Argumenten, spielen "good" Cop und wenns nix hilft, "bad" Cop.
Sonja (Name Redaktionell geändert) ist eine Klientin von mir. Sie erzählte mir vor kurzem folgende Situation. In ihrer Abteilung gibt es eine Person, die für die Abrechnung eines bestimmten unternehmensinternen Services zuständig ist. Diese Person, nennen wir sie Daniel, ermittelt den Verbrauch der Daten von den für diesen Service angemeldeten Personen und stellt die erbrachte Leistung in Rechnung. Monatlich. Dieser Service existiert schon seit Jahren. Die Nutzerzahl ist überschaubar und er läuft langsam - Betonnung liegt hierbei auf langsam - aus.
Wie es in großen Unternehmen so ist, gibt es einen ähnlichen Service, der standardmäßig zur Verfügung gestellt wird und inzwischen von den meisten Mitarbeitern des Unternehmens genutzt wird.
Sonja war mit einem Update des Service betraut. Ihr Anliegen war es, die User des "veralteten" Service anzuschreiben, um sie über das Update zu informieren. Dazu wollte sie eine Liste mit den E-Mail-Adressen und Namen der User. Sie bat Daniel um eine entsprechende Liste und bekam die folgende Antwort: "Ich dir doch schon einmal gesagt, dass ich die Daten so nicht aufbereiten kann.!!!"
Und da stand sie, völlig verwirrt, verdattert und irritiert darüber, dass so eine einfach Sache scheinbar unmöglich erscheint.
Sie versuchte es mit
- Logik,
- mit guten Worten,
- mit Argumenten,
- mit Druck,
- mit Kontaktabbruch,
- mit wenn-du-mir-nicht-das-gibst,-was-ich-von-dir-will,-dann-gebe ich-beim-nächsten-Mal-auch-nix,
Daniel blieb stur. Da es nicht das erste Mal war, dass Sonja mit Daniel so aneinander rasselte, bat sich mich um Unterstützung.
Übung - Umgang mit Widerspruch
Glücklicherweise hatte ich gerade vor ein paar Wochen eine Übung dazu entwickelt, wie du "Widersprechern" begegnen kannst. Du findest hier einen Übungsbogen, der dich und deine Mitübenden durch das Rollenspiel führt.
Die Übung ist in zwei Phasen geteilt.
Die erste Phase dient dir dazu, dich mit deiner Beobachtung, deinem Gefühl, deinem Bedürfnis und deiner Bitte zu verbinden.
Erst, wenn du sicher bist zuhören zu können, dann entscheide dich für den Weg der Empathie
Wenn du erkennst, dass du sofort wieder genervt, verwundet, irritiert oder ratlos reagierst, brauchst du vermutlich noch mal Selbst-Einfühlung oder Unterstützung von einer anderen Person, die dich mit Empathie versorgt. Dann durchlaufe so lange die Phase 1, bis du satt bist.
Meiner Erfahrung nach springen die meisten Menschen zu schnell auf den Weg, der Empathie. Sie denken, wenn ich einen Selbst-Ausdruck äußere - also meine Beobachtung, Gefühle, Bedürfnisse und Bitte ausdrücke, dann macht, die andere Person, das was ich von ihr will.
Und genau hier tappen die meisten in die Falle. Denn es geht nicht darum, die andere Person mit einem Selbst-Ausdruck oder einfühlsamen Zuhören dazu zu bewegen genau das zu tun, was ich will, sondern es geht um Verbindung.
In der zweite Phase entscheidest du dich dafür, die Verbindung zur anderen Person herzustellen. Entweder durch deinen Selbst-Ausdruck oder durch empathisches Zuhören.
Selbst-Ausdruck = erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die andere Person mich mit meinen Gefühlen und Bedürfnissen hört.
Wenn du dich für den Weg des Selbst-Ausdrucks entscheidest, bittest du darum, gehört zu werden. Du kannst am Ende fragen: "Was hast du von mir gehört?" oder "Wie geht es dir damit, wenn ich sage, ich fühle mich …., weil ich …. brauche."
Widerspruch ist ein Anzeichen dafür, dass Menschen nicht gehört werden
Wenn du dich dafür entscheidest, dem anderen empathisch zuzuhören, dann geht es vor allem um den Aufbau und das Herstellen von Verbindung. Und nicht darum, dass die andere Person sagt wie es ihr geht, nur damit sie auch gesagt hat was sie braucht, um dann doch das machen zu sollen, was dir vorschwebt. Darum geht es nicht. Es geht darum, wirklich hinzuhören und zu verstehen, was die andere Person braucht.
Und dann kannst du signalisieren, dass du den Mangel des anderen sehen kannst.
Du brauchst nicht einverstanden zu sein, du brauchst es nicht gut zu finden. Lediglich verstehen. Und dann kannst du fragen, was sie braucht, um sich dieses Bedürfnis zu erfüllen. Oder du kannst etwas anbieten.
Rollenspiel - "Ich habe dir schon einmal gesagt, dass …"
Im folgenden findest du einen Dialog aus dem Rollenspiel, nachdem sich Sonja in sich selbst eingefühlt hat und dachte, sie sei bereit, ihrem Kollegen Daniel einfühlsam zuzuhören.
Im ersten Durchgang spielte Sonja sich selbst und ich schlüpfte in die Rolle ihres Kollegen Daniel.
Durchgang 1
Sonja: "Hi Daniel, du ich brauche eine Liste von den Personen, die noch auf dem alten Service administriert sind, damit ich sie anschreiben kann."
Daniel: "Ich habe dir doch schon einmal gesagt, dass ich dir diese Liste nicht bereitstellen kann."
Sonja: "Das ist doch quatsch, denn es reicht doch, wenn du mir einfach alle Userinfos gibst und ich filtere dann die entsprechenden Personen in Excel heraus."
Daniel: "Du verstehst das nicht. Das geht einfach nicht. Ich kann dir diese Daten nicht zur Verfügung stellen."
An dieser Stelle brach ich ab und fragte Sonja, wie es ihr gehe. Meine Vermutung war, dass wir uns gleich eine heftige Diskussion darüber liefern würden, wer im Recht ist und wer nicht.
Daher erinnerte ich sie noch einmal daran, sich mit ihrem Bedürfnis zu verbinden.
Sonja war dankbar. Ihr gehe es vor allem um Verstehen und die Verbindung zu diesem Kollegen. Denn es falle ihr sehr schwer, seine Sicht nachzuvollziehen und damit fehle ihr auch die Verbindung zu Daniel.
Ich schlug vor, die Rollen zu tauschen, damit sie eine Idee davon bekommen konnte, was empathisches Zuhören bewirken kann und wo die Fallen lauern, in die wir alle immer wieder tappen können.
Durchgang 2
Sonja "Hi Daniel, du ich brauche eine Liste von den Personen, die noch auf dem alten Service administriert sind, damit ich sie anschreiben kann."
Daniel: "Ich habe dir doch schon einmal gesagt, dass ich dir diese Liste nicht bereitstellen kann."
Sonja: "Okay, ich höre von dir, dass du diese Liste nicht bereistellen kannst. Habe ich dich da richtig verstanden?"
Daniel: "Ja, das geht nicht."
Sonja: "Wenn du sagst, das geht nicht, meinst du dann, weil du die Daten nicht ermitteln kannst? Oder weil sie nicht brauchbar sind?"
Daniel: "Ja, genau."
Sonja: "Kann es sein, dass du gerade deine Ruhe brauchst? Ich habe den Eindruck, dass du das mit mir nicht jetzt nicht klären willst."
Daniel: "Ja, genau. Ich will das jetzt und auch später nicht mit dir klären. Ich will meine Ruhe und mache hier meinen Job. Und das bedeutet, die Abrechnung für diesen Service zu erstellen."
Sonja: "Ah, verstehe ich dich da richtig, dass du diese Liste zu keinem Zeitpunkt für mich erstelle willst, da das nicht zu deinen Aufgaben gehört?"
Daniel: "Jipp, genau das. Mein Job ist es hier die Abrechnung zu machen. Wenn ich da noch Listen und Daten für andere aufbereite, wann soll ich denn da meine Arbeit machen, kannst du mir das sagen?"
Sonja: "Du bist besorgt, dass du nicht genug Zeit hast, um deine Arbeit zu machen?"
Daniel: "Ja, und ehrlich gesagt, nervt es mich, wenn die Leute hier einfach so in mein Büro marschieren und mir Arbeitsaufträge erteilen. Geh doch zu meinem Chef und frag da nach, wer das machen kann."
Sonja: "Es nervt dich also, wenn ich dich um eine Liste der Personen bitte, die bei dir im Service administriert sind?"
Daniel: "Ja, da kommst du und dann kommt der nächste und immer so weiter. Hier ist doch überhaupt nix geregelt. Und wenn ich mal was von jemanden hier will, dann kann ich lange warten!"
Sonja: "Ich höre von dir, dass hier nichts geregelt ist. Was genau meinst du denn damit?"
Daniel: "Na ich meine, dass hier scheinbar jeder und jede sich selbst seine Aufgaben suchen kann und jeder macht, was er will. Und ich soll dann immer die Daten dazu liefern. Dabei ist das doch gar nicht mein Job hier."
Sonja: "Okay, du denkst, jeder macht hier was er oder sie will und du sollst das mit unterstützen? - Ich vermute, dir fehlt Klarheit in Bezug auf das, was ich gerade mache. Weißt du das denn überhaupt?"
Daniel: "Nö, das interessiert mich auch nicht. Ich habe nur gehört, dass du an dem Service XY arbeitest und jetzt brauchst du meine Daten. Dazu habe ich echt kein Bock. Ihr habt doch selbst Daten, die ihr verwenden könnt."
Sonja: "Kann es sein, dass du besorgt bist, dass ich dir deinen Job wegnehme?"
Daniel: "Haha, träum weiter. Du kriegst es ja noch nicht einmal hin, dir die Userdaten zu ziehen, wie willst du denn dann meinen Job machen? - Ich sage dir jetzt mal was: Ich bin seit 20 Jahren hier in dem Laden. Ich habe schon einige kommen und gehen sehen. Und das Abrechnungssystem habe ich ganz alleine aufgebaut. Das läuft quasi von selbst. Und jetzt kommt ihr und wollt den Service XY weiter "verbessern"? Das klappt doch vorne und hinten nicht."
Sonja: "Du kennst diesen Laden ja scheinbar in- und auswendig. Und für mich sieht es so aus, als habest du dir ein System aufgebaut, dass es dir einfach macht, deinen Job zu machen. Das kann ich gut verstehen. Meine Vermutung ist trotzdem, dass du besorgt bist, dass sich hier dramatisch etwas verändert. Auch für dich."
Hier haben wir aufgehört. Denn für Sonja wurde die Sorge, den über Jahre aufgebauten Aufgabenbereich und die damit verbundene Routine zu verlieren, deutlich. Sie vermutete stark, dass Wertschätzung und Anerkennung so sehr im Mangel bei Daniel sind, dass er für Kooperation nicht mehr offen ist.
Keine Lösung ist die Lösung
Sonja war ratlos. Denn sie hatte keine Idee, wie sie mit Daniel eine Kooperation bzw. eine kollegiale Beziehung aufbauen konnte. Die Erkenntnis, die sie aus diesem Rollenspiel gewonnen hatte war, dass Daniel über einen langen Zeitraum hinweg frustriert war und keine bessere Strategie kannte, als sich zu schützen.
Bei unserem nächsten Treffen erzählte sie mir, dass sie durch einen anderen Kollegen zufälligerweise die Daten bereit gestellt bekam. Und dadurch ihre Aufgaben weiter erledigen konnte.
Wenn sie Daniel jetzt begegnet, dann nicht mehr mit den trennenden Gefühl von Mitleid und Groll ihm gegenüber. Im Stillen wertschätzt sie ihn dafür, dass er sich das Bedürfnis nach Schutz und Selbstbestimmung auf diese Weise gut erfüllt. Und seit dem haben sie schon die ein oder andere Mittagspause gemeinsam verbracht.
Die Absicht 'Verbindung' erzeugt Verbindung.
Mit dem Übungsblatt zum Umgang mit Widerspruch richtest du im der ersten Phase deinen Fokus auf dich, deine Gefühle und Bedürfnisse. Und dann, wenn du satt und bereit bist, kannst du dich an die andere Person wenden. Durch einen Selbst-Ausdruck oder durch empathisches Zuhören. Voraussetzung für eine gelingende Verbindung zwischen euch ist dabei, deine Absicht nach Verbindung.
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