Logorröh: 6 Tipps wie du gewaltfrei unterbrichst

Ja, es ist erlaubt andere Menschen zu unterbrechen. Und zwar in dem Moment, in dem du ein Wort mehr gehört hast, als du hören kannst. So schlägt es Marshall B. Rosenberg, der Begründer der Gewaltfreien Kommunikation vor. Warum? Weil du ab diesem Moment die Verbindung verlierst. Zu dir und zur redenden Person. Vom Inhalt ganz zu schweigen.

Vermutlich denkst du in diesen Momenten so etwas wie: „Das nervt!“, „Kann der/die mal die Klappe halten!“, „Ich will auch mal was sagen“ oder „Oh, das geht jetzt aber echt zu weit!“ Das bedeutet: du kannst nicht mehr so zuhören, dass das Gespräch in eine fruchtbare Richtung verläuft. Denn du bist bei dir oder deinen Bewertungen, Gedanken, Urteilen, Interpretationen, ...

 

Neulich wurde ich in einem Seminar gefragt, wie es möglich sei, eine Vorgesetzte zu unterbrechen. Und ob es überhaupt erlaubt sei, Vorgesetzte zu unterbrechen. Na klar ist das erlaubt! Denn auch Vorgesetzte reden manchmal ohne Punkt- und Komma, bringen Themen auf den Tisch, die besser zu Hause oder woanders bleiben oder schweifen einfach ab. Deine Zeit ist genauso wertvoll und begrenzt, wie die aller anderen Menschen.

 

Wenn du Vollzeit arbeitest, stehen dir ca. 8 h pro Tag zur Verfügung. Bei Teilzeit gestaltet sich das zeitlich straffer. Dann sind die Zeiten für informelle Gespräche knapper. Diese Zeit willst du sicher effektiv und wirksam nutzen. Gespräche, die zu nichts führen, die dich aus deiner Ruhe bringen oder dir einfach nur Zeit klauen, kannst du beenden.

 

Das bedeutet nicht, dass du nicht auch mal einen Smalltalk hier und da hältst oder über Themen sprichst, die nichts mit dem Büro zu tun haben. Wir brauchen solche Gespräche, denn sie sind oftmals Seelenbalsam in einem stressigen Büroalltag. Durch Smalltalk lernst du deine Kolleg*innen, Kund*innen oder Vorgesetzte neu oder anders kennen.

 

Aber in diesem Blogbeitrag geht es nicht darum, welche Gesprächsformen uns weiter bringen – wäre auch mal spannend darüber zu schreiben 😊, sondern darum, wie du andere Menschen gewaltfrei unterbrichst. Und hier mein erster knackiger Tipp:

Tipp 1: Gib dir selbst die Erlaubnis andere Menschen zu unterbrechen, wenn du ein Wort mehr gehört hast, als du hören kannst.

Warte nicht darauf, bis ein/e Retter*in um die Ecke kommt und dich erlöst. Warte auch nicht darauf, dass die andere Person aufhört zu reden. Das wird bei einer Quasselstrippe nicht passieren. Es geht darum zu zeigen, dass du dich genauso wichtig nimmst wie alle anderen Menschen in deinem Unternehmen. Auch dann, wenn du nicht der/die CEO bist. Ja, auch dann.

 

Tipp 2: Verabschiede dich davon freundlich zu sein.

Freundlichkeit bringt dich hier nicht weiter. Bei Endlosredner*innen bringt es nix, freundlich zu sein, weil du dann zu dir nicht mehr freundlich bist. Du kannst nett gemeinte Formulierungen, die dir einfallen einfach vorbeiziehen lassen, wie die Wolken am Himmel eines schönes Sommertages. Mit Redewendungen wie „Ach, das klingt spannend, interessant, ja, sehe ich auch so“ bestärkst du deine/n Gesprächspartner*in, weiter zu reden.

 

Wenn dir eine solche Formulierung in den Kopf kommt, nutze sie als Hinweis, dich selbst zu fragen: „Ist das wirklich interessant/spannend? / Will ich das hören?“ Wenn ja, dann mach das. Wenn nicht, dann unterbrich, jetzt!

Tipp 3: Ausreden lassen ist keine Option.

Ich werde in Mediationen und Seminaren nervös, wenn die Beteiligten sich darauf einigen, sich gegenseitig ausreden zu lassen. Denn für mich bedeutet das, die Personen hören selbständig auf zu reden. Sie wissen, wann sie einen Punkt setzen sollten. 

 

Wenn du dann eine/n Vielredner*in dabei hast, wird es eng und zwar für alle. Die anderen Menschen werden nervös und die Aufmerksamkeit richtet sich nicht mehr auf den Inhalt, sondern auf das Geplapper. Was wiederum dazu führt, dass sich die Menschen mit ihren Gedanken und Bewertungen verbinden und die Situation nicht entspannter wird.

 

In Mediationen gilt für mich daher die 2 bis 3 Satz-Regel. Nach max. 3 Sätzen unterbreche ich die Mediant*innen, um ihre Aussagen zu reformulieren. Das bedeutet, ich fasse noch einmal zusammen, was ich gehört habe. Das hat mehrere Vorteile.

  1. Es sind kurze Aussagen, die ich mir merken brauche.
  2. Ich stelle dadurch sicher, dass das was sie sagen wollten, auch so bei mir ankam und kein Missverständnis entsteht.
  3. Die andere Person, für die diese Aussage eingentlich bestimmt ist, hört es nochmal durch einen anderen Kanal - nämlich mich.
  4. Diese Form des Wiederholens entschleunigt und hilft, den Fokus auf das zu halten, was gesagt werden will oder muss. Nicht auf Geschwurbel.

Im Berufsalltag, in Meetings oder auch privaten Gesprächen achte ich deshalb sehr wohl darauf, wann das eine Wort zu viel gesagt wurde. Das erkenne ich an meinen urteilenden Gedanken. Und so nutze ich dieselbe Möglichkeit, der Reformulierung. „Stopp, ich kann nicht mehr zuhören./Ich habe den Faden verloren:/Um was geht es dir eigentlich?/ Kannst du dein Anliegen noch mal kurz benennen?“

Tipp 4: Sprich die Person mit Namen an.

In der Regel kennen wir die Namen unserer Gesprächspartner*innen. Den Namen laut und klar auszusprechen, hilft dir im Plapperrausch zur Person durchzudringen. Wenn eine Person gerade voll im Redefluss ist, dann hört sie sich selbst zu, gibt sich ein Stichwort nach dem anderen. Diese Person ist dann auf keinen Fall bei dir. Sie kriegt nicht mit, dass es dir vielleicht unangenehm ist, dass du unruhig wirst, dass du körpersprachliche Signale sendest oder vielleicht schon versucht hast, vorsichtig zu unterbrechen. Sprich die Person klar und deutlich mit ihrem Namen an: z.B.

 

„Frau Schmiedel, …“, „Herr Müller …“, „Hans, …“, „Sabine, …“

 

Nutze den Effekt, der daraus entsteht, in der Regel verändert sich der Fokus dieser Menschen hin zu dir. Du wirst das am Blickkontakt erkennen, an einer Aufrichtung, einem Räuspern, an irgendeiner Unterbrechung. Du darfst den Namen auch mehrmals nennen, um sicher zu stellen, dass du gehört wirst.

Tipp 5: Unterbrechen mit Hilfe der Verbindungsbitten.

In der Gewaltfreien Kommunikation helfen vor allem die Verbindungsbitten beim Unterbrechen. Bei einer Verbindungsbitte, bitte ich um Verbindung – nicht um eine Handlung oder eine Antwort. Das ist deshalb hilfreich, weil die Verbindung fehlt, wenn du zugetextet wirst. Du kannst beispielsweise fragen:

  • Ist es das, was du sagen wolltest?
  • Wie geht es dir jetzt damit?
  • Was brauchst du jetzt?

Meiner Erfahrung nach, helfen die Verbindungsbitten dabei, im Gespräch weiterzukommen. Die sprechende Person ist eingeladen zu reflektieren. Im Worstcase – also dann, wenn die andere Person einfach wieder einsteigt - kannst du eine Verbindungsfrage in deine Richtung stellen:

  • Willst du mal wissen, wie es mir gerade geht?
  • Willst du wissen, was ich von dir gehört habe?

Die größte Sorge, die ich oft höre, ist die, als unfreundlich oder unhöflich zu gelten. Vermutlich liegt es daran, dass du es als unhöflich empfindest, wenn du unterbrochen wirst. Denn meistens ist die Art und Weise, wie wir unterbrochen werden unschön.

 

In einem Training erzählte mir eine Teilnehmerin, dass sie von einem Kollegen mit irgendeinem Pillepalle unterbrochen wurde, als sie gerade den aktuellen Stand ihres Projektes vorstellte. Er grätschte einfach rein und nahm sich die Bühne.

 

Na klar, ist das unhöflich. Sie war so verdutzt in diesem Moment, dass sie verstummte. Denn natürlich würde sie so etwas nie tun. Nicht auf diese Weise. Auch war keine andere Person da, die das kommentierte oder unterband. Deshalb ist die Selbst-Ermächtigung so wichtig. (Siehe Tipp 1). Hole dir das Wort wieder zurück und nutze hilfreiche Formulierungen, die im Alltag als hilfreich und höflich gewertet werden. Lerne einige davon auswendig, damit du sie im Notfall anwenden kannst.

 

Die folgenden Formulierungen dienen dazu, das Wort zu ergreifen, ohne einen Angriff oder eine Beschuldigung zu formulieren.

 

Tipp 6: Hilfreiche Formulierungen zum Unterbrechen:

Ich werde oft nach einer Zauberformel gefragt, die wirkt. Meine persönliche Zauberformel sind die vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation und zwar je nach Situation in Form von Selbst-Einfühlung, Selbst-Ausdruck oder Empathie. Bei Quasselstrippen sind natürlich die Verbindungsbitten, wie oben genannt sehr hilfreich.

 

Hier habe ich dir einige Formulierungen zusammen gestellt, die du nutzen kannst, um ein verbales Stoppzeichen zu setzen. Such dir eine raus und gib dir selbst eine Chance, in dem du es machst. Ohne diesen Schritt des Unterbrechens, kannst du nicht unterbrechen. Deshalb einfach machen. So kommst du wieder zu Wort:

  • „Ulrich, wenn ich dich für einen wichtigen Gedanken kurz unterbrechen darf.“
  • „Monika, ich komme noch einmal auf den Gedanken <GEDANKEN/THEMA> zurück.“
  • „Herr Schwafel, mir ist es wichtig, den Gedanken zu Ende zu führen.“

So unterbrichst du und zeigst der anderen Person gleichzeitig, dass du sie gehört hast.

  • "Wenn ich noch einmal zusammenfassen darf, was ich gehört habe: <ZUSAMMENFASSUNG IN DEINEN WORTEN>."
  • Gefühle spiegeln, die du vermutest: "Kann es sein, dass dich das echt ärgert?/… dass du <GEFÜHL> bist?"
  • Bedürfnisse vermuten, die hier unerfüllt sind: "Geht es dir um <BEDÜRFNIS>? / Brauchst du <BEDÜRFNIS>?"

Das Spiegeln dessen, über was die andere Person redet, hilft ihr zu versichern, dass sie gehört wurde. Das ist ein Grund, warum Menschen sich in Rage reden. Weil sie denken: mir hört doch eh keiner zu!

Das waren meine 6 Tipps, wie du andere Menschen gewaltfrei unterbrechen kannst, ohne, dich selbst um Kopf und Kragen zu reden.

Probiere es aus. Versuche dich in harmlosen Gesprächen bei Menschen, vor denen du keine Angst hast. Oder übe mit einer Person deines Vertrauens. Ich bin mir sicher, du hast mindestens eine Person in deinem Umfeld, die viel redet. Dann übe mit ihr. Wähle einen für dich passenden Tipp, und leg los.

 

Was ist das Schlimmste, das passieren kann? Dass die andere Person weiterredet? Oder, dass sie denkt, du seist unhöflich? 


Wenn du besorgt bist und denkst, ich darf oder kann andere nicht unterbrechen, werden dir diese Tipps vermutlich nicht weiterhelfen. Nur du kannst dir die Erlaubnis geben, andere Menschen zu unterbrechen. Behalte im Hinterkopf. Du bist nicht unfreundlich, wenn du andere unterbrichst. Du bist allerdings zu dir selbst unfreundlich, wenn du dich in einem solchen Moment nicht auch in den Blick nimmst.

 

Spannende Unterhaltungen, fruchtbare Meetings oder effektive Besprechungen leben davon, dass wir uns auf Augenhöhe begegnen. Also stelle die Augenhöhe her, indem du beginnst, dir Redezeit zu nehmen und deine wichtigen Anliegen zu platzieren. Verwende die Kraft der Verbindungsbitten und ermächtige dich.

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